#90 - Wie du deine Glaubenssätze hinterfragst

Derjenige allein ist arm, der an sich selbst nicht glaubt (Marc Aurel)

 

Das Zitat von Marc Aurel verdeutlicht treffend, wie eng unsere innere Einstellung mit unserer Lebensqualität verbunden ist. Unsere Glaubenssätze über uns selbst, die Welt und unsere Zukunft formen unsere Gedanken, Gefühle und Handlungen maßgeblich. Sie geben uns Bedeutung, setzen uns Grenzen und erklären uns vermeintliche Ursachen und Zusammenhänge.

 

Solche Überzeugungen können sowohl positiv als auch negativ sein. Positive Glaubenssätze stärken uns, fördern unsere Entwicklung und erweitern unsere Möglichkeiten. Beispiele sind:

  • „Ich habe alles, was ich brauche, um erfolgreich zu sein.“
  • „Ich bin gut genug, so wie ich bin.“
  • „Misserfolge sind Lernchancen.“
  • „Ich kann etwas in der Welt bewegen.“

Sie wirken als motivierende innere Leitsätze und lassen uns Herausforderungen mit Zuversicht angehen.

 

Negative Glaubenssätze hingegen können uns einschränken, unsicher machen und uns daran hindern, unser Potenzial auszuschöpfen. Typische Beispiele sind:

  • „Ich muss immer alles alleine schaffen, um stark zu sein.“
  • „Ich bin nicht gut genug, um erfolgreich zu sein.“
  • „Ich kann doch für das, was mir Spaß macht, kein Geld verlangen!“
  • „Erst wenn ich genug geleistet habe, darf ich mich entspannen.“

Gerade weil solche Sätze oft als innere Fesseln wirken, ist es wichtig, sie aufzuspüren und zu hinterfragen. Da uns diese Glaubenssätze oft schon lange begleiten, ist das allerdings nicht immer einfach und oft bemerken wir sie erst, wenn uns jemand anderes darauf hinweist. Aber auch so kannst du einmal bewusster darauf achten, wann du in Gedanken oder in Gesprächen mit anderen Formulierungen verwendest wie:

  • „Ich muss … “
  • „Man kann doch nicht ...“
  • „Wenn ich erst …, dann kann ich endlich ...“

Im Folgenden möchte ich dich einladen, einen konkreten Glaubenssatz mit Hilfe einer kleinen Übung zu hinterfragen. Denke einmal an ein Ziel, das du aktuell verfolgst, und formuliere einen passenden Wenn-Dann-Satz, der das Erreichen des Ziels mit einem gewünschten Zustand verknüpft, also zum Beispiel:

 

„Erst wenn ich die Prüfung bestehe, kann ich mich entspannen“ oder „Wenn ich einen besser bezahlten Job finde, werde ich zufriedener sein“.

 

Schreib deinen Satz auf und spüre einmal kurz nach, ob er für dich stimmig ist. Welche Erfahrungen hast du bisher gemacht, die dafür sprechen, dass er wahr ist?

 

Angelehnt an The Work von Byron Katie kannst du jetzt deinen Satz mit Hilfe der folgenden Schritte hinterfragen:

 

1.) Umdrehung der Kausalität: Im dem ersten Beispiel oben also: „Erst wenn ich mich entspanne, kann ich die Prüfung bestehen“. Für diese Version gibt es auch gute Gründe: Wenn wir völlig gestresst in eine Prüfung gehen, kann es sein, dass wir unser Wissen nicht gut abrufen können oder sogar einen Blackout haben. → Drehe deinen Satz in dieser Weise um und finde ebenfalls Gründe dafür, warum diese Variante richtig sein könnte.

 

2.) Verwendung von „Auch wenn“ plus Verneinung:Auch wenn ich die Prüfung bestehe, kann ich mich nicht entspannen“ oder „Auch wenn ich die Prüfung nicht bestehe, kann ich mich entspannen“. Beide Varianten sind ebenfalls plausibel – so könnte nach der Prüfung die nächste Herausforderung warten oder wir können nach einer nicht-bestandenen Prüfung entspannter sein, weil wir danach wissen, was bei der Wiederholung auf uns zukommt. → Verfahre jetzt so mit deinem Satz.

 

3.) Erneute Umkehrung der Kausalität: „Auch wenn ich mich entspanne, kann ich die Prüfung nicht bestehen“ bzw. „Auch wenn ich mich nicht entspanne, kann ich die Prüfung bestehen“. Auch hier gibt es wieder Gründe, warum das stimmen könnte: Vielleicht haben wir nicht gut genug gelernt, so dass das Bestehen der Prüfung selbst in einem entspannten Zustand nicht möglich ist. Oder wir sind so gut vorbereitet, dass es egal ist, ob wir entspannt oder angespannt sind. → Wie ist es bei deinem Satz? Wie fühlen sich diese Umkehrungen an und warum könnten sie wahr sein?

 

Hierbei geht es nicht darum, den ursprünglichen Glaubenssatz als falsch zu entlarven. Es gibt ja auch triftige Gründe, die für die ursprüngliche Variante sprechen. Aber auf diese Art und Weise können wir die starre Verknüpfung von Ursache und Wirkung beziehungsweise die Bedingung für einen gewünschten Zustand etwas aufweichen. Wie in unserem Beispiel können wir dabei vielleicht feststellen, dass es uns gut tun würde, auch schon vor der Prüfung etwas zu entspannen. Oder aber wir bemerken, dass uns gar nicht so sehr die bevorstehende Prüfung stresst, sondern vor allem die Unsicherheit über das, was danach kommt.

 

Wie ist es bei deinem Satz? Tauchen da bei den Umkehrungen neue Aspekte auf?